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  • AutorenbildRemo Daguati

Finger weg von Tempo 30 in der Stadt St.Gallen auf Hauptachsen

Dass 30er-Zonen in Wohnquartieren akzeptiert sind, haben auch die bürgerlichen Kräfte in Stadtparlament von St.Gallen mehrmals betont und in der Strategie Mobilität 2040 auch klar signalisiert. Was aber Tabu bleiben muss, ist die Verkehrsberuhigung der Hauptverkehrsachsen und damit die Hauptschlagadern unseres Verkehrssystems.


St.Gallen weist ein „unschweizerisches“ Beschäftigungswachstum auf: Das Staatswesen wächst, während dem die wertschöpfungsintensiven Unternehmensdienstleistungen rückläufig sind und die Gründungsdynamik unterdurchschnittlich bleibt. Die unzureichende Erreichbarkeit von St.Gallen ist ein Hauptgrund für diese Fehlentwicklung. Und mit Tempo 30 Zonen auf Hauptverkehrsachsen werden wir diese Stagnation weiter befeuern.

Die Stadt St.Gallen ist nicht wirklich gesegnet mit kompetitiven Fahrzeiten, um Fachkräfte oder Besucher anzuziehen. Das S-Bahn-System floppt, das Bussystem verpasst die meisten Direktanschlüsse. Die Schweiz endet nicht in Winterthur, wie oft kolportiert wird, sondern östlich vom Bürerstich, wo der Wahlkreis St.Gallen beginnt. Regionen wie Wil, das Toggenburg oder das Sarganserland profitieren vom Entwicklungssog aus Zürich, während dem St.Gallen viel zu langsame Fahrzeiten aufweist und abgeschnitten bleibt. St.Gallen ist bereits heute zu langsam für die Restschweiz. Und nun soll unser Verkehrssystem mit Tempo 30 Zonen, die auch Hauptverkehrsachsen betreffen, weiter abgewertet werden. Ein Supergau und eine Garantie für den weiteren Abstieg von St.Gallen.

Erst ab Fahrzeiten um 80 Minuten je Arbeitsweg schliesst die Stadt St.Gallen heute beim Fachkräftepotential zur Restschweiz auf – zumindest, wenn man mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs ist. Mit dem Auto werden die nationalen Vergleichswerte gar nicht erst erreicht. Um unseren Nachteil aufzuholen, müssten die Fahrzeiten in St.Gallen eigentlich massiv beschleunigt werden. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Erreichbarkeit von St.Gallen über die Strasse soll also auch auf Hauptachsen weiter systematisch einschränkt werden – man will mit dem Kanton 30er-Zonen auf Hauptverkehrsachsen prüfen. Ein weiterer Todesstoss für die wirtschaftliche Erholung.


Dabei wird auch vom Stadtrat missachtet, dass der Rettungsanker der Stadt St.Gallen bei der Gewinnung von Fachkräften nach wie vor die Strasse ist – sie erreicht mehr als doppelt so viele Talente wie der öffentliche Verkehr. Wir sprechen alleine von über 40'000 Zupendelnden, die von aussen nach St.Gallen kommen müssen, um hier das Fachkräftepotential in wertschöpfenden Bereichen zu decken. Oft zitierte Vergleichsstädte wie Luzern oder Winterthur haben denn auch die Nase deutlich vorne, wenn es darum geht, Talente anzuziehen. Schon ab Fahrzeiten von 40 Minuten erreichen sie weit mehr als doppelt so viele Fachkräfte wie St.Gallen.


Ich habe simuliert, was mich Tempo 30 auf der Hauptachse zum nächsten Autobahnzubringer auf meinem täglichen Arbeitsweg kosten würde. Im Endeffekt wird man bei Tempo 30 bis zu 15 Sekunden pro 500 Meter Fahrstrecke verlangsamt. Die von links-grün verfolgte radikale Reduktion der Fahrbahnen (wir kennen das ja von der Diskussion um die Sanierung der St.Leonhardsstrasse) würde dazu führen, dass ich wartende Busse nicht mehr überholen kann, weil sie neu auf meiner Fahrbahn stehen. Eine Fahrt zum nächsten Autobahnzubringer würde von meinem Wohnort aus schnell einmal bis zu 5 Minuten verlangsamt – je Arbeitsweg. Auf ein Arbeitsjahr hinaus verbringe ich so über 40 Stunden – also eine ganze Arbeitswoche – mehr auf meinem Arbeitsweg. Wenn St.Gallen also seine Hauptverkehrsachsen verlangsamt, so wird St.Gallen noch mehr Terrain bei seiner Erreichbarkeit verlieren. Unsere Stadt wird dies mit fehlender Entwicklung bezahlen. Mehr noch: eine neue Studie der Raiffeisen Bank zeigt auf, dass mit jeder zusätzlichen Minute Fahrzeit auf dem Arbeitsweg der Wert eines Familienhauses um CHF 21'000.- abnimmt. Man kann es nicht anders sagen: Der Stadtrat vernichtet mit seiner standortfeindlichen Verkehrspolitik den Wohlstand in unserer Stadt.


Denn Talente finden noch mühsamer zu uns – egal ob per Auto oder den strassengebundenen öffentlichen Verkehr. Auch dieser wird verlangsamt. Und die Wegpendler, die ihre Brötchen ausserhalb von St.Gallen verdienen, werden gezielt ausgebremst und schikaniert. Sie ziehen ja bereits weg, wieso noch mehr Gründe liefern? Unser Stadtrat agiert völlig kopflos und lässt seine Verkehrsplaner einen Verkehrskollaps nach dem anderen planen.


Dumm auch: nicht nur Autos, sondern vor allem der strassengebundene öffentlichen Verkehr auf den Hauptachsen wird verlangsamt. Tempo 30 bremst Busse aus, welche ihre Taktzeiten künftig noch zielgerichteter verfehlen. Mit noch langsameren Busverbindungen wegen den 30er-Zonen auf Hauptachsen (die Stadt Zürich hat ja schon Erfahrungen mit dem Nichtmehreinhalten des Fahrplans wegen 30er-Zonen) wird der Umstieg auf den öV sicher nicht gelingen. Wir brauchen in St.Gallen Mobilitätslösungen in Kombination der besten Verkehrsträgern, die funktionieren, und nicht Verkehrsideologien in Parlament wie Verwaltung, welche ausbremsen und nur noch destruktiv sind. Hauptachsen müssen Tabu bleiben.


Und zuletzt noch: Auch Rettungskräfte werden Mühe haben, das Depot und danach ihren Einsatzort zu erreichen. Der Stadtrat ist gut beraten, keine Verlangsamung seiner Erreichbarkeit durch das Entschleunigen von Hauptverkehrsachsen zu bewirken.


It's that simple: Wer seiner Erreichbarkeit keine Sorge trägt, stagniert und steigt ab.



Interpellation Fraktion Grüne/Junge Grüne, glp/jglp-Fraktion, SP/JUSO/PFG-Fraktion, Jürg Brunner: Tempo 30 in der Stadt – was läuft?; schriftlich



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